Prokrastination im Studium: zur Relevanz von Motivationsregulation, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus sowie Kursmerkmalen für akademische Prokrastination

  • Bei akademischer Prokrastination handelt es sich um einen freiwilligen Handlungsaufschub einer geplanten studienbezogenen Tätigkeit, trotz Antizipation negativer Konsequenzen (Steel & Klingsieck, 2016). Theoretisch kann Prokrastination als Resultat einer misslingenden Motivationsregulation konzeptualisiert werden (Wolters, 2003) und steht in engem Zusammenhang mit Gewissenhaftigkeit (negativ) und Neurotizismus (positiv; Steel, 2007). Wenngleich bereits relativ viel zu den Determinanten von Prokrastination bekannt ist, ist bislang unklar, wie Prokrastination im Studium zustande kommt: Inwiefern ist Motivationsregulation für akademische Prokrastination bedeutsam – prokrastinieren Studierende, weil sie eine zu geringe Nutzung von Strategien zur Motivationsregulation aufweisen oder weil die Passung der Strategien zu der motivationalen Problemsituation nicht gegeben ist? Stellt Motivationsregulation einen erklärenden Mechanismus der Zusammenhänge zwischen Gewissenhaftigkeit bzw.Bei akademischer Prokrastination handelt es sich um einen freiwilligen Handlungsaufschub einer geplanten studienbezogenen Tätigkeit, trotz Antizipation negativer Konsequenzen (Steel & Klingsieck, 2016). Theoretisch kann Prokrastination als Resultat einer misslingenden Motivationsregulation konzeptualisiert werden (Wolters, 2003) und steht in engem Zusammenhang mit Gewissenhaftigkeit (negativ) und Neurotizismus (positiv; Steel, 2007). Wenngleich bereits relativ viel zu den Determinanten von Prokrastination bekannt ist, ist bislang unklar, wie Prokrastination im Studium zustande kommt: Inwiefern ist Motivationsregulation für akademische Prokrastination bedeutsam – prokrastinieren Studierende, weil sie eine zu geringe Nutzung von Strategien zur Motivationsregulation aufweisen oder weil die Passung der Strategien zu der motivationalen Problemsituation nicht gegeben ist? Stellt Motivationsregulation einen erklärenden Mechanismus der Zusammenhänge zwischen Gewissenhaftigkeit bzw. Neurotizismus und akademischer Prokrastination dar? Neben diesen individuellen Faktoren ist eine Berücksichtigung der Lernsituation – sowohl auf Prozessebene als auch hinsichtlich universitärer Kursmerkmale – essentiell, um der Frage nachzugehen, ob das Auftreten akademischer Prokrastination generalisierbar oder auf situationsspezifische Aspekte zurückzuführen ist (van Eerde, 2000). Bisher ist allerdings nicht hinreichend geklärt, inwiefern Merkmale universitärer Kurse für akademische Prokrastination relevant sind (Pychyl et al., 2000). Um die Forschungslücken zu adressieren, wurden in dieser publikationsorientierten Dissertation als Ausgangspunkt (Fachartikel I) die Zusammenhänge zwischen konditionalem Strategiewissen zur Motivationsregulation (Strategiepassung), Effektivität der Regulation, akademischer Prokrastination und Studienabbruchsintentionen von 515 Studierenden untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass Studierende mit hohem konditionalem Strategie-wissen zur Motivationsregulation auch eine bessere Regulationseffektivität aufwiesen, weniger prokrastinierten sowie geringere Studienabbruchsintentionen äußerten. Weiterhin deuten Mediationsanalysen auf kaskadierende intrapsychische Prozesse. Um diese detailliert zu untersuchen, wurde in zwei Folgestudien (Fachartikel II) der Fokus auf die Prozesse in konkreten Lernsituationen gelegt. In zwei Tagebuchstudien wurden 3 121 Einzelmessungen von 128 Studierenden und 1 450 Einzelmessungen von 218 Studierenden erfasst. Die Analysen zeigten, dass akademisches Prokrastinationsverhalten zwischen Studierenden variiert, während der Prüfungsphase abnimmt und insbesondere durch eine Strategiepassung reduziert werden kann. In Fachartikel III wurde mittels einer Sekundäranalyse untersucht, ob Motivationsregulation einen erklärenden Mechanismus für die Zusammenhänge zwischen Gewissenhaftigkeit bzw. Neurotizismus und akademischem Prokrastinationsverhalten darstellt. In der Tat konnte der Effekt zwischen Gewissenhaftigkeit und Prokrastinationsverhalten durch Motivationsregulation erklärt werden. Schließlich fokussierte Fachartikel IV die Bedeutung spezifischer Kursmerkmale universitärer Lehrveranstaltungen für akademische Prokrastination. Die Ergebnisse von Mehrebenenanalysen mit 1 809 Studierenden aus 90 Kursen zeigten, dass akademische Prokrastination in beachtlichem Maße mit Kursmerkmalen assoziiert war und insbesondere negativ mit wahrgenommener Autonomie, sozialer Eingebundenheit und Kompetenzerfahrungen sowie Klarheit der Instruktion und positiv mit wahrgenommener Aufgabenschwierigkeit zusammenhing. Zusammenfassend liefert die Arbeit eine umfassende Betrachtung akademischer Prokrastination im Hinblick auf die individuellen Faktoren der Motivationsregulation, der Gewissenhaftigkeit und des Neurotizismus sowie auf die situativen Faktoren bezüglich Kursmerkmalen universitärer Lehrveranstaltungen. Korrespondierend zu bisherigen Erkenntnissen zeigte sich, dass Prokrastinationsverhalten zeit- und situationsspezifisch variiert (vgl. Wieland et al., 2018) sowie im Verlauf der Prüfungsphase abnimmt (vgl. Wäschle et al., 2014). Darüber hinaus veranschaulicht die vorliegende Dissertation, dass neben einer reinen Strategienutzung (vgl. Schwinger et al., 2012) insbesondere eine Strategiepassung (vgl. Steuer et al., 2019) hilfreich zur Überwindung akademischer Prokrastination ist und Motivationsregulation den Zusammenhang zwischen Gewissenhaftigkeit und akademischer Prokrastination erklären kann (vgl. Ljubin-Golub et al, 2019). Zudem ergab eine umfassende Betrachtung verschiedener Merkmale universitärer Lehrveranstaltungen belastbare Hinweise darauf, dass Kursmerkmale eng im Zusammenhang mit akademischer Prokrastination stehen (vgl. Svartdal et al., 2020). Theoretisch tragen die vorliegenden Befunde zu einem besseren Verständnis der Aktualgenese akademischer Prokrastination bei. Praktisch implizieren die Ergebnisse, dass in Interventionen zur Verringerung akademischen Prokrastinationsverhaltens auf Möglichkeiten zur Motivationsregulation eingegangen und Wissen über die Eignung von Motivationsregulationsstrategien zur Überwindung spezifischer motivationaler Probleme beim Lernen vermittelt werden sollte. Weiterhin können Interventionen auf einer instruktionalen Ebene zusätzlich zu bisherigen Trainingsansätzen (vgl. Grunschel et al., 2018) ein vielversprechender Ansatz zur Verringerung akademischer Prokrastination sein.show moreshow less

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Metadaten
Author:Lisa BäulkeORCiDGND
URN:urn:nbn:de:bvb:384-opus4-881328
Frontdoor URLhttps://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/88132
Advisor:Markus Dresel
Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of first Publication:2021
Publishing Institution:Universität Augsburg
Granting Institution:Universität Augsburg, Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Date of final exam:2021/07/30
Release Date:2021/10/26
Tag:Motivationsregulation; Tagebuchstudien
higher education research; university course characteristics; self-regulation; procrastination; motivational regulation
GND-Keyword:Prokrastination | Psychologie; Selbstgesteuertes Lernen; Hochschulforschung; Motivationspsychologie
Institutes:Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät / Psychologie
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät / Psychologie / Lehrstuhl für Psychologie
Dewey Decimal Classification:1 Philosophie und Psychologie / 15 Psychologie / 150 Psychologie
Licence (German):CC-BY 4.0: Creative Commons: Namensnennung (mit Print on Demand)