Sozialisation während der NS-Zeit: Eine systematisierende Analyse gesellschaftlicher und politischer Bedingungen, sowie deren biographischer Bedeutung

Socialization during the period of National Socialism: A systematising analysis of political and social conditions as well as their biographical relevance

  • Die vorrangigen Anliegen meiner Arbeit sind es, gleichsam die wesentlichen Strukturen einer Sozialisation während der NS-Zeit deskriptiv zu beschreiben und systematisierend zu analysieren. Im Ergebnis sollen sich diese Darstellungen schließlich zur Gesamtpräsentation eines spezifischen NS-Sozialisationskontextes ergänzen. Dieses Vorhaben zieht seine Motivation aus dem bestehenden Desiderat systematisierender Analysen zum sozialen Alltag während der NS-Zeit. Die Arbeit stützt sich in ihren Aussagen auf die Analysen von insgesamt mehreren hundert Primärwerken aus der NS-Zeit, wissenschaftlichen Sekundäranalysen zu selbiger, biographischen und autobiographischen Quellen, theoretischen Konzepten, welche von mir auf die Belange einer Sozialisation während der NS-Zeit übertragen wurden (etwa der labeling approach Ansatz auf die Analyse abweichenden Verhaltens unter der NS-Herrschaft), sowie einigen, von mir geführten narrativen Interviews mit Zeitzeugen der NS-Herrschaft. Zunächst wird inDie vorrangigen Anliegen meiner Arbeit sind es, gleichsam die wesentlichen Strukturen einer Sozialisation während der NS-Zeit deskriptiv zu beschreiben und systematisierend zu analysieren. Im Ergebnis sollen sich diese Darstellungen schließlich zur Gesamtpräsentation eines spezifischen NS-Sozialisationskontextes ergänzen. Dieses Vorhaben zieht seine Motivation aus dem bestehenden Desiderat systematisierender Analysen zum sozialen Alltag während der NS-Zeit. Die Arbeit stützt sich in ihren Aussagen auf die Analysen von insgesamt mehreren hundert Primärwerken aus der NS-Zeit, wissenschaftlichen Sekundäranalysen zu selbiger, biographischen und autobiographischen Quellen, theoretischen Konzepten, welche von mir auf die Belange einer Sozialisation während der NS-Zeit übertragen wurden (etwa der labeling approach Ansatz auf die Analyse abweichenden Verhaltens unter der NS-Herrschaft), sowie einigen, von mir geführten narrativen Interviews mit Zeitzeugen der NS-Herrschaft. Zunächst wird in der Arbeit der hier verwendete Sozialisationsbegriff eingeführt. Anschließend werden einige Sozialisationstheorien, welche auch im späteren Analyseverlauf erneut auftauchen, bezüglich ihrer Anwendbarkeit auf die Belange eines Aufwachsens während der NS-Zeit befragt. Danach erfolgt eine hinführende Analyse der Sozialisationsbedingungen in der späten Weimarer Republik. An dies schließt dann der Hauptteil der Arbeit an, die ausführliche Analyse des NS-Sozialisationskontextes. Dessen Darstellung wurde, im Anschluss an eine Argumentation von M. Rainer Lepsius, bewusst als Präsentation spezifischer Sozialisationspotentiale vorgenommen. Sie zieht daher keine Verengung auf vermeintlich repräsentative idealtypische Sozialisationsverläufe nach sich. Zur differenzierenden Untergliederung des NS-Sozialisationskontextes wurde die Erstellung von insgesamt sieben Strukturthesen gewählt, welche diesen zugleich systematisierend erfassen. Die ausgiebigen Erläuterungen zu diesen Thesen beschreiben die besonderen Bedingungen, sowie vielfach auch die biographische Bedeutung der einzelnen Elemente einer Sozialisation unter der NS-Herrschaft. Die Thesen erheben bezüglich des NS-Sozialisationskontextes einen universalen Gültigkeitsanspruch. Aus Platzgründen können sie im Verlauf der Arbeit jedoch nur exemplarisch belegt werden. Für diese Belege wurden solche Phänomene gewählt, die entweder bislang noch zu wenig Aufmerksamkeit durch die historische Bildungsforschung erfahren haben, oder aber von mir als besonders relevant für eine damals ablaufende Sozialisation angesehen wurden (etwa die Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg). Die einzelnen Strukturthesen lauten wie folgt: 1. Zum Verhältnis von Regime und Bevölkerung I: Das nationalsozialistische Regime versuchte, die Menschen nach Maßgabe seiner ideologischen Überzeugungen "von oben" zu lenken. 2. Zum Verhältnis von Regime und Bevölkerung II: Die Beeinflussung der Bevölkerung durch das Regime erfolgte durch eine ineinander greifende Anwendung von Verführung und Führung. 3. Zum Verhältnis von Bevölkerung und Regime I: Während die NS-Ideologie bei der Bevölkerung nur begrenzten Anklang fand und die "NSDAP" durchaus auch auf Ablehnung stieß, war die Zustimmung zur Person Hitlers und den um ihn entfachten "Führermythos" ein wesentlich integrierendes Moment zwischen Bevölkerung und Nationalsozialismus. 4. Zum Verhältnis von Bevölkerung und Regime II: Über die gesamte NS-Zeit lässt sich auch eine Einflussnahme "von unten", durch Teile der Bevölkerung, nachweisen, welche die Politik des "Dritten Reiches" deutlich mitgeprägt hat. 5. Leben im "Dritten Reich" I: Sowohl das alltägliche Leben als auch der Verlauf nahezu jeder politischen Maßnahme - wenn sie lang genug bestand - lässt sich während der NS-Zeit in drei Entwicklungsschritte einteilen, welche jeweils eine spezifische Sozialisationsrelevanz erlangten. 6. Leben im "Dritten Reich" II: Die NS-Führung bedachte unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit differenzierenden Kategorisierungen und damit verbundenen Charakterisierungen, zu welchen sowohl die Politik des Regimes als auch die Alltagserfahrungen und –handlungen der Betroffenen in mitunter deutlichen Widerspruch treten konnten. 7. Leben im "Dritten Reich" III: Im Alltag des NS-Sozialisationskontextes generierte sich individuell wie kollektiv abweichendes Verhalten zumeist als Resultat komplexer Motivlagen, welche allerdings selten eine vollständige Ablehnung des Regimes oder dessen Politik zum Ergebnis hatten, sowie in Form eines Prozesses, an dessen Ende nur in Einzelfällen ein offener Widerstand gegen das NS-System stand, in dessen Verlauf jedoch die massiv repressiven negativen Rückkopplungen (Zuschreibungen und daraus resultierende gewaltsame Zumutungen) durch die nationalsozialistischen Kontrollorgane häufig eine weitere Verschärfung des Konflikts bedingten.show moreshow less
  • The primary objectives of this work shall be to descriptively specify substantial patterns of socialization during the period of National Socialism as well as to systematisingly analyse them. In consequence, they aim to add to the overall presentation of a specific National Socialist socialization context. The intention of this dissertation arises from a desideratum in systematizing analyses of the social everyday life during the Nazi era. The work is founded on the analysis of a total of several hundred publications, corresponding scientific literature, biographical and autobiographical sources, and theoretical concepts applied to the issues of socialization during the period of National Socialism (i.e. the so called labelling approach on the analysis of deviant behaviour). Also, a number of narrative interviews have been conducted with contemporaries of the National Socialist period. At first, the concept of socialization used in this work will be introduced. After that, a number ofThe primary objectives of this work shall be to descriptively specify substantial patterns of socialization during the period of National Socialism as well as to systematisingly analyse them. In consequence, they aim to add to the overall presentation of a specific National Socialist socialization context. The intention of this dissertation arises from a desideratum in systematizing analyses of the social everyday life during the Nazi era. The work is founded on the analysis of a total of several hundred publications, corresponding scientific literature, biographical and autobiographical sources, and theoretical concepts applied to the issues of socialization during the period of National Socialism (i.e. the so called labelling approach on the analysis of deviant behaviour). Also, a number of narrative interviews have been conducted with contemporaries of the National Socialist period. At first, the concept of socialization used in this work will be introduced. After that, a number of socialization theories, which will be referred to in the further course of analysis, will be put into question according to their applicability with regard to growing up during the Nazi era. An introductory analysis of the conditions of socialization during the late Weimar Republic will follow right before the in-depth analysis of the socialization context during the Nazi era in the main part of the work. The interpretation of the context, following the argumentation of M. Rainer Lepsius, is purposely regarded as the presentation of socialization potentials, meaning it will not be limited to supposedly representative ideal types of courses of socialization. Seven structural theses have been chosen to allow for differentiating structures and systematic coverage of the National Socialist context of socialization. Extensive elucidations point out the particular conditions, and very often the biographical significance of individual elements of socialization in the National Socialist regime. With regard to the latter, these theses have a general claim to validity; however, due to space reasons, only exemplary evidence can be given. For said evidence, phenomena have been chosen that either had received too little attention in historical educational research or which I considered as particularly relevant for socialization then – such as the experiences made in World War II. The structural theses are as follows: 1. The relationship of regime and population I: According to their ideological ideas, the National Socialist regime tried to direct the German people top-down. 2. The relationship of regime and population II: The influence on the population by the regime happened by intertwining temptation and command. 3. The relationship of population and regime I: While the appeal of National Socialist ideology to the population was somewhat limited and the NSDAP was not well accepted, the man, Adolf Hitler, was met with general approval. Furthermore, the starting of the "Führermythos" was an essential element working towards the integration of the population and National Socialism. 4. The relationship of population and regime II: During the era of National Socialism a bottom-up exertion of influence from parts of the population can be proved, which left its imprint on the politics of the Third Reich. 5. Life in the Third Reich I: Both everyday life and progress of political measures of a certain duration can be divided into developmental stages, each gaining a specific relevance socialization-wise. 6. Life in the Third Reich II: The differentiating categorizations and subsequent characterizations undertaken by National Socialist leaders caused considerable discrepancies between said categorizations and the regime's politics as well as between the former and day-to-day experiences and actions of those affected by the aforementioned measures. 7. Life in the Third Reich III: Deviant behaviour on an individual and collective level in the social context of National Socialism was often due to complex motivations, which seldom resulted in a total rejection of the regime or its politics. Also, deviant behaviour occurred in a process whose end results only occasionally turned into open opposition against the National Socialist system; however, in its course massively repressive negative feedback (attributions and violent impositions resulting from them) originating from National Socialist controlling bodies caused an exacerbation of the conflict.show moreshow less

Download full text files

Export metadata

Statistics

Number of document requests

Additional Services

Share in Twitter Search Google Scholar
Metadaten
Author:Jakob BeneckeGND
URN:urn:nbn:de:bvb:384-opus-17228
Frontdoor URLhttps://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/1524
Advisor:Eva Matthes
Type:Doctoral Thesis
Language:German
Publishing Institution:Universität Augsburg
Granting Institution:Universität Augsburg, Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Date of final exam:2010/10/25
Release Date:2011/04/27
Tag:National Socialism; Hitler Youth; socialization; biography; Third Reich
GND-Keyword:Deutschland; Drittes Reich; Nationalsozialismus; Sozialisation; Geschichte 1933-1945
Institutes:Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät / Pädagogik
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät / Pädagogik / Lehrstuhl für Pädagogik
Dewey Decimal Classification:9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 943 Geschichte Mitteleuropas; Deutschlands
Licence (German):Deutsches Urheberrecht