Das Augsburger Achtbuch: Ein Herrschaftsmedium in der spätmittelalterlichen Stadt?

  • Mit dem Augsburger Achtbuch (Stadtarchiv Augsburg, Rst., Selekt 'Schätze', Nr. 81) steht eine der interessantesten mittelalterlichen Quellen der schwäbischen Reichsstadt im Mittelpunkt dieser Untersuchung. Inhaltlich handelt es sich dabei um ein Verzeichnis der Geächteten sowie der Personen, die vom Rat mit Stadtverweis bestraft wurden. Enthalten sind ferner sog. Urfehden, also Eidesleistungen, mit denen die aus städtischer Haft Entlassenen zusicherten, sich für die Gefangenschaft nicht zu rächen. Das Forschungsinteresse richtet sich im Wesentlichen auf zwei Punkte: Zum einen ist es möglich, über die verzeichneten Straffälle Rückschlüsse auf die Entwicklung der städtischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung zu ziehen. Zum anderen gilt es, den Stellenwert zu klären, den das Achtbuch innerhalb der Genese von Schriftlichkeit und Kanzleiwesen in Augsburg hat. Neben der inhaltlichen Analyse erfolgt eine paläographische Untersuchung im Hinblick auf die Identifizierung und Einordnung der aktivenMit dem Augsburger Achtbuch (Stadtarchiv Augsburg, Rst., Selekt 'Schätze', Nr. 81) steht eine der interessantesten mittelalterlichen Quellen der schwäbischen Reichsstadt im Mittelpunkt dieser Untersuchung. Inhaltlich handelt es sich dabei um ein Verzeichnis der Geächteten sowie der Personen, die vom Rat mit Stadtverweis bestraft wurden. Enthalten sind ferner sog. Urfehden, also Eidesleistungen, mit denen die aus städtischer Haft Entlassenen zusicherten, sich für die Gefangenschaft nicht zu rächen. Das Forschungsinteresse richtet sich im Wesentlichen auf zwei Punkte: Zum einen ist es möglich, über die verzeichneten Straffälle Rückschlüsse auf die Entwicklung der städtischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung zu ziehen. Zum anderen gilt es, den Stellenwert zu klären, den das Achtbuch innerhalb der Genese von Schriftlichkeit und Kanzleiwesen in Augsburg hat. Neben der inhaltlichen Analyse erfolgt eine paläographische Untersuchung im Hinblick auf die Identifizierung und Einordnung der aktiven Schreiber. Methodisches Hilfsmittel dafür ist eine 'Federtabelle', da auf diesem Wege der relative Entstehungszeitraum jedes einzelnen Eintrags, also das zeitliche Verhältnis aller Fälle untereinander, geklärt werden kann. Zusammenfassend ist als ein erstes wichtiges Ergebnis festzuhalten, dass Augsburg im 14. und 15. Jahrhundert von Prozessen der Institutionalisierung und Verfestigung im herrschaftlichen Bereich geprägt war: Aus der ehemals als Teil der Gemeinde verstandenen Vertretung der Bürger gegenüber Bischof bzw. König/Kaiser entwickelte sich im Laufe von zwei Jahrhunderten eine Obrigkeit, die selbstbewusst und aus eigenem Selbstverständnis heraus über die städtischen Untertanen herrschte. Ein weiteres Ergebnis resultiert aus dem Versuch, dem Medienbegriff eine neue, für die Geschichtswissenschaft tragfähige Definition zu geben. Dabei wird berücksichtigt, dass zum einen alle traditionell als Quellen bezeichneten Texte eine spezifische Qualität, also besondere Möglichkeiten, haben, zum anderen, dass diese Möglichkeiten erst mittels einer entsprechenden Nutzung durch die Gesellschaft entfaltet werden. Das erste Merkmal einer als Medium bezeichneten Schrift kann für das Achtbuch relativ einfach umrissen werden, da mit der Klassifizierung als Amtsbuch bereits die wesentlichen Eigenschaften genannt sind: Die Informationen sind durch die Buchform vor Verlust geschützt und können durch ihre übersichtliche Anordnung leicht wiedergefunden werden. Zudem liefert gerade das Achtbuch im Zusammenspiel mit anderen schriftlichen Zeugnissen städtischer Provenienz ausreichend Hinweise dafür, dass bereits im 14. und 15. Jahrhundert die kommunale Literalität als institutionalisiert betrachtet werden kann und somit auch das zweite Merkmal erfüllt ist: In der Kanzlei gab es mit dem Stadtschreiber und seinen Unterschreibern, die sich gegenseitig bei der Produktion der verschiedenen Texte ergänzten, eine geordnete Hierarchie mit genau abgegrenzten Tätigkeitsbereichen. Dennoch bleiben Zweifel, ob gerade das Achtbuch dazu verwendet wurde, um den Anspruch der städtischen Obrigkeit auf die Entscheidungsbefugnis über die Rechtsprechung gegenüber der Einwohnerschaft zu demonstrieren. Gemessen an modernen Maßstäben fehlt die systematische Indienstnahme der im Achtbuch gespeicherten Informationen durch die verschiedenen Amtsträger der Stadt. Vielmehr kann der Aussage Jörg Meiers, der die Zweckbestimmung mittelalterlicher Amtsbücher mit den Schlagwörtern 'Erinnern – Sichern – Bewahren' umschreibt, zugestimmt werden. Darüber hinaus kann die Anlage und Führung des Achtbuches als Herrschaftsritual mit zweifacher Zielrichtung interpretiert werden: Zum einen als Selbstvergewisserung der Herrschenden, also des Rates und seiner untergeordneten Stellen: Man nahm für sich das Recht in Anspruch, das Leben der Einwohner durch Gesetze regeln und etwaige Verstöße ahnden zu können, und dieses Recht manifestierte sich im Achtbuch. Zum anderen machten die immer wiederkehrenden ritualisierten Amtshandlungen, von denen diese Quelle Zeugnis gibt, den Beherrschten die Normen deutlich, die nach dem Willen der Stadtoberen das Leben in der Gemeinschaft prägen sollten. So war die Führung des Augsburger Achtbuches im Sinne Bob Scribners ein symbolischer Herrschaftsakt.show moreshow less

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Metadaten
Author:Felicitas Schmid-Grotz
URN:urn:nbn:de:bvb:384-opus4-31115
Frontdoor URLhttps://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/3111
Advisor:Rolf Kießling
Type:Doctoral Thesis
Language:German
Publishing Institution:Universität Augsburg
Granting Institution:Universität Augsburg, Philologisch-Historische Fakultät
Date of final exam:2009/06/03
Release Date:2015/06/10
GND-Keyword:Achtbuch; Stadtarchiv Augsburg, Reichsstadt, Selekt "Schätze" Nr. 81; Augsburg; Recht; Geschichte; Quelle 1302-1528
Institutes:Philologisch-Historische Fakultät
Philologisch-Historische Fakultät / Geschichte
Dewey Decimal Classification:9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 943 Geschichte Mitteleuropas; Deutschlands
Licence (German):Deutsches Urheberrecht mit Print on Demand