Differenz und Interdependenz : Die Krise der Metaerzählungen und ihre Folgen in Salman Rushdies The Satanic Verses und Don DeLillos Underworld

Difference and Interdependence : The crisis of grand narratives in Salman Rushdie's The Satanic Verses and Don DeLillo's Underworld

  • Die Arbeit skizziert ein Spannungsfeld, das den postmodernen Roman – repräsentativ Salman Rushdies The Satanic Verses (1988) und Don DeLillos Underworld (1997) – zentral kennzeichnet: die Bewegung zwischen Differenz und Interdependenz, zwischen der kontinuierlichen Demontage etablierter Ordnungen oder Denkmuster und dem Aufspüren wechselseitiger Verbindungen. Den Ausgangspunkt bildet eine Akzentverschiebung: Neben den Dissens- und Disruptionsbestrebungen der Romane, konzentriert sich die Untersuchung vor allem auf die inhaltliche wie formalästhetische Verhandlung der Erfahrungen von Fragmentierung und Instabilität. Dabei stellt sich die Frage, wie viel Unsicherheit und Offenheit der Mensch (aber auch das Kunstwerk) tatsächlich ertragen kann. Die These argumentiert, dass der Roman auf den postmodernen Zustand mit einer Steigerung des Disparaten, mit Pluralisierung, temporalen oder räumlichen Sprüngen etc. reagiert, doch damit gleichzeitig auch eine Steigerung komplexer VerbindungenDie Arbeit skizziert ein Spannungsfeld, das den postmodernen Roman – repräsentativ Salman Rushdies The Satanic Verses (1988) und Don DeLillos Underworld (1997) – zentral kennzeichnet: die Bewegung zwischen Differenz und Interdependenz, zwischen der kontinuierlichen Demontage etablierter Ordnungen oder Denkmuster und dem Aufspüren wechselseitiger Verbindungen. Den Ausgangspunkt bildet eine Akzentverschiebung: Neben den Dissens- und Disruptionsbestrebungen der Romane, konzentriert sich die Untersuchung vor allem auf die inhaltliche wie formalästhetische Verhandlung der Erfahrungen von Fragmentierung und Instabilität. Dabei stellt sich die Frage, wie viel Unsicherheit und Offenheit der Mensch (aber auch das Kunstwerk) tatsächlich ertragen kann. Die These argumentiert, dass der Roman auf den postmodernen Zustand mit einer Steigerung des Disparaten, mit Pluralisierung, temporalen oder räumlichen Sprüngen etc. reagiert, doch damit gleichzeitig auch eine Steigerung komplexer Verbindungen einhergeht, welche die aufgesplitterten Elemente in eine spannungsreiche Relation, ein interdependentes Gefüge, zueinander setzt. Der theoretische Teil der Arbeit diskutiert und problematisiert Ansätze und Definitionsversuche des postmodernen Zustands: Das Beschwören von Skepsis und Misstrauen, die Festlegung von Instabilität, Vielfalt und Fragmentierung als Kennzeichen und dementsprechend die Abkehr von Ordnung, System, Einheit. Zentraler Ausgangs- und Orientierungspunkt ist dabei der französische Philosoph Jean-François Lyotard und seine Forderung nach dem Untergang der so genannten Metaerzählungen (grands récits). Er ist davon überzeugt, dass die Moderne vom Streben nach Einheit und Fortschritt beherrscht wurde. In der Postmoderne gilt es für Lyotard, sich von universalen Denkmustern zu verabschieden. In einer kritischen Revision theoretischer Positionen, untersucht die Arbeit die Tendenz der Theorie, den Blick auf disruptive Elemente zu richten und ihre gleichzeitige Scheu, Sehnsüchte nach Einheit und Versöhnung näher zu betrachten. Postmoderne Denker "value difference as their final ideal", kritisiert Terry Eagleton. Diese Arbeit zweifelt die in der postmodernen Theorie deklarierte bereitwillige Annahme von Ungewissheit und Instabilität stark an. Der Interpretationsteil der Arbeit verdeutlicht, dass die Bestandsaufnahme der Theorie und ihr innovativer Impuls zentraler Aspekt der literarischen Praxis ist. Die theoretischen Forderungen, Unruhe zu stiften, aufzubrechen und die Vielfalt der Welt darzustellen, werden in den Romanen direkt umgesetzt. Salman Rushdie und Don DeLillo wehren sich vehement gegen ein Entweder/Oder-Denken, betonen unauflösbare Diskrepanzen und unterwandern repressive, rigide Strukturen. Allerdings zeigt sich ebenfalls, dass in der Literatur das Urteil, der Mensch könne inzwischen den Verlust eines einheitsstiftenden Systems ertragen und die entstandene Leerstelle als Spielraum nutzen, scharf problematisiert wird. Die behandelten Romane entwerfen ein komplexeres, weniger zuversichtliches Bild des postmodernen Zustands. Sie formulieren klare Bedenken gegenüber dem Gedanken, dass Glaubensmuster einfach abgelegt werden können und thematisieren die Schwierigkeiten im Umgang mit einem ausgeprägten Orientierungsdefizit. Die Romane führen vor Augen, dass mit dem positiven Freiheits- und Toleranzpotenzial, das der postmoderne Zustand in sich birgt, ebenso ein problematisches Verlustempfinden einhergeht, in dem sich die Sehnsucht nach stabiler Identität und Sinn ausdrückt. Die anthropologischen, psychologischen Krisenerfahrungen werden in den Texten freigelegt und imaginativ verarbeitet. Die Arbeit untersucht die Bewegung zwischen Differenzbetonung und Steigerung der Vernetzungsstrukturen in drei großen Themenbereichen: Religion, Nation und Kunst. Es verdeutlicht sich das spannungsreiche Feld zwischen befreiendem Spiel und notwendiger Organisation, zwischen kontinuierlicher Unterwanderung und Stabilisierungsversuchen, zwischen Glaube und Zweifel. Bei aller Betonung der Differenz gewähren die Romane einen (Zusammen-)Halt in einer Welt, die auseinander zu fallen droht. Die narrative Sinnstiftung impliziert dabei keine heilende Synthese. Sie drückt sich vielmehr in der Rückkoppelung des Disparaten, in dem Aufeinander-Beziehen scheinbar isolierter Elemente oder Personen, aus. Um dem Fall in die Indifferenz entgegen zu wirken, begegnen die Autoren der Ausdifferenzierung mit dichten Vernetzungsstrukturen. Die Differenzbetonung führt nicht in eine Beliebigkeit oder Bedeutungslosigkeit, sondern hebt die Verbundenheit, die Entdeckung von spannungsreichen Bezügen und Interrelationen, hervor.show moreshow less
  • This thesis investigates a central characteristic of the postmodern novel – represented by Salman Rushdie's The Satanic Verses (1988) and Don DeLillo's Underworld (1997): the movement between difference and interdependence, between the continuous dismantling of established structures and the detection of interrelations. This study looks for a new approach: it not only focuses on the novels' drive for dissens and disruption, but also on the experience and investigation of fragmentation and instability. The study argues that the novels react with pluralisation, diversity, and incompatibilities. At the same time, however, they underline multiple connections and the complex interdependency of disparate pieces. The theoretical part of this study discusses conceptions of the postmodern condition: distrust and scepticism, instability and diversity, the overthrowing of unity and systems. The starting point here is French philosopher Jean-François Lyotard and his declaration of incredulityThis thesis investigates a central characteristic of the postmodern novel – represented by Salman Rushdie's The Satanic Verses (1988) and Don DeLillo's Underworld (1997): the movement between difference and interdependence, between the continuous dismantling of established structures and the detection of interrelations. This study looks for a new approach: it not only focuses on the novels' drive for dissens and disruption, but also on the experience and investigation of fragmentation and instability. The study argues that the novels react with pluralisation, diversity, and incompatibilities. At the same time, however, they underline multiple connections and the complex interdependency of disparate pieces. The theoretical part of this study discusses conceptions of the postmodern condition: distrust and scepticism, instability and diversity, the overthrowing of unity and systems. The starting point here is French philosopher Jean-François Lyotard and his declaration of incredulity towards so called grand narratives (grands récits) in the postmodern condition. For him, these universal constructs which aim at maintaining uniformity and homogeneity mask disorder and plurality. The postmodern age rejects those universalities and embraces instability and incompatibility. This study critically revises the postmodern positions arguing that theorists focus on elements of disruption while neglecting the desire for unity and stability. Postmodern thinkers "value difference as their final ideal" says critic Terry Eagleton. This thesis questions the unproblematic acceptance of insecurity and disorder in the postmodern age. The interpretation part examines strategies of destabilisation and pluralisation in the postmodern novel: undermining objectivity, teleological structures, reliability etc; emphasising metafiction, multi-perspectivity and fraction. Salman Rushdie and Don DeLillo are both undermining repressive, rigid structures, always fostering distrust and scepticism. However, simultaneously they question the trust in man's ability to tolerate disorder and disbelief. The novels create a very complex image of the postmodern world, problematising the notion that the postmodern age can easily give up and accept structures and orientation. The novels show that the postmodern condition does not only hold the positive potential for tolerance, but is also characterised by anthropological and psychological experience of crisis. Both, Rushdie and DeLillo are looking for a positive affirmation of the postmodern playfulness, but do not ignore the deficits. The novels move between a continuous undermining and stabilisation, between difference and interdependence. They do not conclude in an absolute synthesis. The Satanic Verses and Underworld underscore the interrelations of apparently isolated, disparate pieces.show moreshow less

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Metadaten
Author:Sibylle Pärsch
URN:urn:nbn:de:bvb:384-opus-5836
Frontdoor URLhttps://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/536
Advisor:Martin Middeke
Type:Doctoral Thesis
Language:German
Publishing Institution:Universität Augsburg
Granting Institution:Universität Augsburg, Philologisch-Historische Fakultät
Date of final exam:2006/12/21
Release Date:2007/06/22
Tag:interrelation; interconnection
GND-Keyword:Postmoderne; Lyotard, Jean-François; Vernetzung; Dissens; Sinnkonstitution; Fragmentierung; Synthese; Poststrukturalismus; Sprachspiel
Institutes:Philologisch-Historische Fakultät
Philologisch-Historische Fakultät / Anglistik / Amerikanistik
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 82 Englische, altenglische Literaturen / 820 Englische, altenglische Literaturen