Ärztliches Handeln zwischen Kunst und Wissenschaft: eine handlungstheoretische Analyse der ärztlichen Praxis im Kontext allgemeiner Entwicklungen im Gesundheitssystem

Medical practice between art and science: An analysis on the basis of theories of action considering current developments in medicine and in the health care system

  • Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist eine handlungstheoretische und arbeitssoziologische Analyse der 'ärztlichen Kunst' sowie ihres Stellenwerts und ihrer Relevanz in der ökonomisierten "High-Tech-Medizin". Eine inhaltliche und empirische Präzisierung und Fundierung des Konzepts jenseits der geflügelten Worte 'Ärztlicher Blick' und 'Ärztliche Intuition' – erst recht unter den gewandelten Bedingungen einer verwissenschaftlichten, technisierten und ökonomisierten Medizin - fehlt bislang. Die Untersuchung nähert sich von verschiedenen Seiten dem Phänomen 'ärztliche Kunst'. Zunächst werden im Rahmen einer Konturierung der ärztlichen Praxis sowohl historische Betrachtungen des Arztes und aktuelle empirische Untersuchungen zum ärztlichen Wissen und Handeln wie auch grundlegende handlungstheoretische Konzeptionen jenseits eines rationalen Handlungsbegriffs berücksichtigt. Einzubetten ist die Näherbestimmung des Wesens und der Beschaffenheit ärztlichen Handelns im Sinne einerGegenstand der vorliegenden Untersuchung ist eine handlungstheoretische und arbeitssoziologische Analyse der 'ärztlichen Kunst' sowie ihres Stellenwerts und ihrer Relevanz in der ökonomisierten "High-Tech-Medizin". Eine inhaltliche und empirische Präzisierung und Fundierung des Konzepts jenseits der geflügelten Worte 'Ärztlicher Blick' und 'Ärztliche Intuition' – erst recht unter den gewandelten Bedingungen einer verwissenschaftlichten, technisierten und ökonomisierten Medizin - fehlt bislang. Die Untersuchung nähert sich von verschiedenen Seiten dem Phänomen 'ärztliche Kunst'. Zunächst werden im Rahmen einer Konturierung der ärztlichen Praxis sowohl historische Betrachtungen des Arztes und aktuelle empirische Untersuchungen zum ärztlichen Wissen und Handeln wie auch grundlegende handlungstheoretische Konzeptionen jenseits eines rationalen Handlungsbegriffs berücksichtigt. Einzubetten ist die Näherbestimmung des Wesens und der Beschaffenheit ärztlichen Handelns im Sinne einer 'ärztlichen Kunst' in den Wandel der Rahmenbedingungen des ärztlichen Handlungsfelds. Der gesellschaftliche Bereich der gesundheitlichen Versorgung und speziell das System der Medizin stellt sich in den vergangenen drei Jahrzehnten als in besonders durchdringender Form von Prozessen der Verwissenschaftlichung, Technisierung und Ökonomisierung und (als deren Konsequenz) auch Standardisierung berührt dar. Etabliert hat sich infolgedessen ein neues Leitbild des Arztes im Sinne einer wissenschaftlich-technischen und auch ökonomischen Rationalität, das zur Orientierungsgröße für die gesundheitspolitische Arbeitsgestaltung sowie die gesellschaftliche Erwartung an den Arzt wurde. Der Legitimationsverlust des Kunst-Konzepts kann anhand dieses Wandels der makrostrukturellen Rahmenbedingungen veranschaulicht bzw. durch deren Zusammenwirken im Sinne einer Formalisierung und Objektivierung ärztlichen Handelns verursacht aufgezeigt werden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, darzulegen und empirisch zu begründen, dass sich ärztliches Handeln nur unvollständig als objektivierendes Handeln im Sinne eines wissenschaftlich und ökonomisch rationalen Handelns fassen lässt. Zur Analyse der Grenzen objektivierenden Handelns bei der ärztlichen Tätigkeit wird die Kategorie 'ärztliche Kunst', durch die Anbindung an das Konzept des subjektivierenden Handelns erschlossen und handlungstheoretisch informiert. Abschließend werden die eingangs dargestellten Makrotendenzen als Rahmenbedingungen ärztlichen Handelns bzw. die These einer hierdurch induzierten Verdrängung der ärztlichen Kunst mit den empirischen Befunden der vorliegenden Untersuchung konfrontiert, in diesem Zusammenhang aktuelle Problemfelder benannt. Ausgehend von der Analyse der ärztlichen Tätigkeit ist eine Kritik der makrostrukturellen Entwicklungstendenzen ableitbar, die die bekannten, im Rahmen der Darstellung der Kontextbedingungen ärztlichen Handelns aufgegriffenen Betrachtungen durch ihren direkten Bezug zur ärztlichen Tätigkeit erweitert. Die empirische Untersuchung verweist nachhaltig darauf, dass das professionelle Fähigkeitsensemble der 'ärztlichen Kunst' nicht als vormoderner, traditioneller Restbestand zu betrachten ist, der durch immer intelligentere Formen des Wissenstransfers und der betriebswirtschaftlichen Steuerung ersetzt und optimiert werden kann. Handlungsweisen, die als subjektivierendes Handeln der 'ärztlichen Kunst' zuzurechnen sind, können nicht nur als durch das systemische Leitbild "bedroht", sondern darüber hinaus als zentrale Elemente professionellen ärztlichen Handelns in Bezug auf zukünftige Herausforderungen einer ökonomischen und bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung als bewahrens- und fördernswert aufgezeigt werden.show moreshow less
  • Subject of the study is an analysis of the historical concept of "the art of medicine" and its relevance in present day medicine in a perspective of sociological theories of action. Besides the well-known idea of the doctor's "intuition" and the phenomenon of the "visual diagnosis" the methods of medical practice and the doctor's way of thinking and acting are rarely questioned or critically challenged – even more have they not yet been subject of essential empirical analysis. Further, the category of "art" to describe the practice of medical work seems - regarding highly specialised scientific experts - out-of-time and rather unattractive. Taking a closer look on the current developments in present day medicine (scientification, mechanization of the doctor's workfield, marketization of the German health care system, further the tendency of standardization of work processes) the core argument can be developed. This is to discover that all of the tendencies described have one commonSubject of the study is an analysis of the historical concept of "the art of medicine" and its relevance in present day medicine in a perspective of sociological theories of action. Besides the well-known idea of the doctor's "intuition" and the phenomenon of the "visual diagnosis" the methods of medical practice and the doctor's way of thinking and acting are rarely questioned or critically challenged – even more have they not yet been subject of essential empirical analysis. Further, the category of "art" to describe the practice of medical work seems - regarding highly specialised scientific experts - out-of-time and rather unattractive. Taking a closer look on the current developments in present day medicine (scientification, mechanization of the doctor's workfield, marketization of the German health care system, further the tendency of standardization of work processes) the core argument can be developed. This is to discover that all of the tendencies described have one common effect in supporting the "objective" aspects of medical work by at the same time suppressing or even eliminating the "subjective" elements in the doctor's processes of acting and perceiving. In the general consideration, good medical practice must be transferrable in objective processes. Therefore, methods associated with "the art of medicine" lose acceptance or even legitimation. One central goal of the study is to show that this is a misconception. The empirical study unfolds consequences, shortcomings and problems of the general idea of the doctor as a scientific expert on the one hand and on the other hand of the conception of the medical workfield as entirely structurable by formal processes. The detailed focus on the character of doctors' actions allows to conclude that "the art of medicine" is even though it may be an anachronistic term an etiquette to describe competences and professional knowledge still essential and indispensable even - and potentially more than ever - in modern scientific medicine.show moreshow less

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Metadaten
Author:Tanja MerlGND
URN:urn:nbn:de:bvb:384-opus4-17136
Frontdoor URLhttps://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/1713
Advisor:Fritz Böhle
Type:Doctoral Thesis
Language:German
Publishing Institution:Universität Augsburg
Granting Institution:Universität Augsburg, Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Date of final exam:2011/12/13
Release Date:2012/06/13
Tag:art of medicine; doctor's knowledge; medical expertise; evidence-based medicine
GND-Keyword:Medizinsoziologie; Berufssoziologie; Arzt; Berufsbild; Ärztliche Behandlung; Gesundheitswesen; Handlungstheorie
Institutes:Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät / Institut für Sozialwissenschaften
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät / Institut für Sozialwissenschaften / Soziologie
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät / Institut für Sozialwissenschaften / Soziologie / Forschungseinheit für Sozioökonomie der Arbeits- und Berufswelt
Dewey Decimal Classification:3 Sozialwissenschaften / 30 Sozialwissenschaften, Soziologie / 300 Sozialwissenschaften
Licence (German):Deutsches Urheberrecht