Anwendung von Mikro- und Akustofluidik auf biophysikalische Systeme in Experiment und Simulation

  • Diese Arbeit beschäftigt sich grundsätzlich mit der Anwendung von Mikro- und Akustofluidik in biologischen Systemen in Experiment und Simulation. Der Begriff Akustofluidik umfasst die aktive Beeinflussung kleiner Flüssigkeitsvolumina und darin enthaltener Teilchen. Dazu wird in dieser Arbeit die Akustische Oberflächenwelle (Surface Acoustic Wave, SAW) eingesetzt. Akustische Oberflächenwellen sind Wellen, die sich – wie der Name schon sagt – an der Oberfläche von Festkörpern ausbreiten. Auf piezoelektrischen Materialien lassen sich SAW mit einer Amplitude im Nanometerbereich erzeugen. Die SAW-gesteuerte Akustofluidik lässt sich gezielt zur Erzeugung von mikrofluidischen Strömungen einsetzen und ist damit ideal für die Biowissenschaften geeignet. Zusätzlich zur aktiven Verwendung von SAW (Aktorik) lässt sich die SAW auch zur passiven Untersuchung (Sensorik) nutzen. Neben dem experimentellen Einsatz der SAW werden in dieser Arbeit Simulationen anhand der Finite Elemente Methode (FEM)Diese Arbeit beschäftigt sich grundsätzlich mit der Anwendung von Mikro- und Akustofluidik in biologischen Systemen in Experiment und Simulation. Der Begriff Akustofluidik umfasst die aktive Beeinflussung kleiner Flüssigkeitsvolumina und darin enthaltener Teilchen. Dazu wird in dieser Arbeit die Akustische Oberflächenwelle (Surface Acoustic Wave, SAW) eingesetzt. Akustische Oberflächenwellen sind Wellen, die sich – wie der Name schon sagt – an der Oberfläche von Festkörpern ausbreiten. Auf piezoelektrischen Materialien lassen sich SAW mit einer Amplitude im Nanometerbereich erzeugen. Die SAW-gesteuerte Akustofluidik lässt sich gezielt zur Erzeugung von mikrofluidischen Strömungen einsetzen und ist damit ideal für die Biowissenschaften geeignet. Zusätzlich zur aktiven Verwendung von SAW (Aktorik) lässt sich die SAW auch zur passiven Untersuchung (Sensorik) nutzen. Neben dem experimentellen Einsatz der SAW werden in dieser Arbeit Simulationen anhand der Finite Elemente Methode (FEM) durchgeführt. Die Arbeit untergliedert sich in fünf Hauptkapitel, die jeweils durch relevante Fragestellungen der Grundlagenforschung und durch bio- bzw. medizintechnische Anwendungen motiviert sind. Dabei zeigen sich eindrucksvoll die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der genannten Techniken, die von einfachen nichtlebenden Systemen bestehend aus Lipiden und Enzymen bis hin zu komplexeren lebenden Systemen wie Zellen und Mikroorganismen reichen. Die Komplexität der betrachteten biophysikalischen Systeme steigert sich dabei von Kapitel zu Kapitel. Angefangen von verpackten passiven Molekülen in Form von therapeutischen Nanopartikeln (TNP) über aktive Moleküle (Enzyme als Biokatalysatoren), bis hin zu Zellen und Mikroorganismen. Immer im Blick ist dabei, wie sich die SAW und die Mikrofluidik als Werkzeuge zur Untersuchung und Manipulation einsetzen lassen. Das erste Kapitel befasst sich damit, wie eine Durchmischung von Flüssigkeiten in einem Mikrofluidikkanal schnell und kontrolliert erreicht werden kann. Dazu werden zwei Flüssigkeiten durch einen Mikrokanal gepumpt und mittels einer SAW-Strömung vermischt. Es wird hierzu die Rayleighwelle, eine spezielle Ausprägungsform einer SAW, verwendet. Mittels mikrofluidischen Mischens lassen sich beispielsweise Lipidnanopartikel – bestehend aus einer Lipidhülle und einem eingeschlossenen Wirkstoff wie Desoxyribonukleinsäure (engl. Deoxyribonucleic Acid, DNA) oder Ribonukleinsäure (engl. Ribonucleic Acid, RNA) – erzeugen. Diese Nanopartikel haben aktuell eine große Aufmerksamkeit für die Verwendung als Trägersysteme für Impfstoffe erhalten. Sie bieten aber auch das Potential, in der Krebstherapie und anderen Gebieten eingesetzt zu werden. Ausgehend von Experimenten zur Durchmischung durch SAW in einem mikrofluidischen Kanal, werden hier Simulationen basierend auf der Finite Elemente Methode durchgeführt. Der diffusive Mischprozess in einem mikrofluidischen Kanal ist sehr langsam und erfordert daher in der Regel lange Kanalstrukturen. Durch den Einsatz von SAW kann der Mischprozess deutlich beschleunigt und eine vollständige Durchmischung erreicht werden. Zur Optimierung des Mischens in Mikrofluidikkanälen fehlt noch eine umfassende Studie des Parameterraums. Ziel der Simulationen ist es, den Einfluss verschiedener Parameter, wie z. B. der Strömungsgeschwindigkeit und der SAW-Leistung, besser zu verstehen. Daraus können Rückschlüsse gezogen werden, wie der Mischprozess weiter optimiert und damit die Erzeugung therapeutischer Nanopartikel gezielt beeinflusst werden kann. Wie sich zeigt, hat das Verhältnis zwischen der Strömungsgeschwindigkeit im Kanal und der von der SAW erzeugten Geschwindigkeit einen starken Einfluss auf das Mischverhalten. Zur Erzeugung von SAW werden Interdigitale Schallwandler (Interdigital Transducer, IDT) verwendet. Auch die Geometrie der IDT beeinflusst das Mischverhalten. Im ersten Kapitel wird ein Mischverfahren vorgestellt, mit dem passive Moleküle verpackt werden können, um als therapeutische Nanopartikel eingesetzt zu werden. Das zweite Kapitel hingegen beschäftigt sich mit der Beeinflussung von Enzymen. Diese können als aktive Biomoleküle angesehen werden, da sie durch ihre katalytische Wirkung verschiedenste biologische Prozesse steuern. Neben dem Einsatz der SAW zur Erzeugung von Strömungen in Flüssigkeiten ist eine weitere aktorische Anwendung der SAW die Erzeugung akustischer Stehwellenfelder. Diese Stehwellenfelder können dazu genutzt werden, eine festkörpergestützte Lipidmembran (Supported Lipid Bilayer, SLB) dynamisch zu modulieren. Damit lassen künstlich sog. Lipid Rafts, das sind Membrandomänen, deren Komposition sich von der restlichen Membran unterscheidet, nachahmen. Die Rolle dieser Membranbereiche für zelluläre Funktionen ist noch nicht vollständig geklärt. In der Literatur ist bereits bekannt, der Membranzustand hat Einfluss auf die Enzymaktivität. In diesem Kapitel wird daher die Frage untersucht, ob die Aktivität des Enzyms Acetylcholinesterase (AChE) auch künstlich durch Dichtemodulationen in einem SLB beeinflusst werden kann. Nach dem derzeitigen Modell der Nervenausbreitung besteht die Funktion der AChE darin, die synaptische Übertragung von Nervensignalen zu beenden, indem der Neurotransmitter Acetylcholin (ACh) im synaptischen Spalt zu Essigsäure (Acetat) und Cholin hydrolysiert wird. Die außersynaptischen Funktionen, die als nicht-klassische Funktionen bezeichnet werden, sind jedoch noch nicht vollständig geklärt. Um weitere relevante physikalische Einflussfaktoren der AChE zu identifizieren, wird hier die AChE Aktivität mit der Ellmans Reagenz in vitro gemessen, wobei das Enzym an eine Lipidmembran gebunden ist. In den Experimenten wird festgestellt, dass das Enzym an die Membran anbindet. Die Aktivität wird jedoch nicht durch die Dichtemodulation und die damit zur Verfügung stehende Membranfläche im SLB beeinflusst. Hingegen wird eine doppelt so hohe Aktivität in Anwesenheit von Lipidmembranen in Form von kleinen unilamellaren Vesikeln (Small Unilamellar Vesicle, SUV) im Vergleich zu lipidfreien Proben gefunden. Es konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass die Zunahme der Aktivität mit der verfügbaren Membranfläche pro Enzym skaliert und für große Membranflächen sättigt. In den ersten beiden Kapiteln wird die SAW als aktorisches Werkzeug eingesetzt, darüber hinaus kann diese aber auch zur Sensorik verwendet werden, um beispielsweise Änderungen der Materialeigenschaften einer bedeckenden Schicht zu untersuchen. Dieses Messprinzip wird hier auf ein in vitro Wundheilungsexperiment angewendet, bei welchem Zellen durch Migration auf einem Substrat eine künstlich eingefügte Wunde – dargestellt durch einen initial zellfreien Bereich – schließen. Aufbauend auf Experimenten wird hier mittels FEM Simulationen die akustische Detektion von Zellen untersucht. Erkenntnisse aus solchen Experimenten sind z. B. relevant für die Materialforschung für Implantate oder den Einfluss chemischer Substanzen auf das Migrationsverhalten. In Experimenten wurde festgestellt, dass das gemessene Phasensignal der SAW zunimmt, wenn die Wunde geschlossen wird. Dies ist gleichbedeutend mit einer Zunahme der SAW-Geschwindigkeit. Anhand von sowohl Eigenfrequenzstudien als auch zeitabhängigen Simulationen konnte gezeigt werden, dass die elektrischen Eigenschaften der adhärierten Zellschicht für die Zunahme des gemessenen Phasensignals verantwortlich sind. Weiterhin wurde eine Abhängigkeit des Signals vom Abstand der Zellschicht zur Substratoberfläche festgestellt, der die Abnahme des Signals nach vollständigem Wundschluss zugeschrieben wird. Somit konnte mithilfe der Simulationen der Verlauf des Sensorsignals im Experiment vollständig erklärt werden. Neben der Migration von Zellen auf einem Substrat, also in zwei Dimensionen, was im Körper etwa relevant beim Wachsen von Zellen auf Knochen oder Implantaten ist, wird die Invasion von Zellen in ein Modellsystem für menschliches Körpergewebe betrachtet. Als Modellsystem eignet sich Kollagen. Dieses bildet im Körper Netzwerke und gibt den Zellen Struktur und halt. In vitro hergestellte Kollagennetzwerke können zufällig oder gezielt strukturiert vorliegen, z. B. durch Anlegen einer mikrofluidischen Strömung während der Polymerisierung. Hier stellt sich die Frage, wie sich Zellen in dieser Umgebung verhalten und ob diese ggf. sogar gezielt gesteuert werden können. Konkret wird die Umströmung eines Zellaggregats in einem Mikrofluidikkanal dazu genutzt, um eine Ausrichtung der Kollagenfasern zu bewirken und die anschließende Invasion der Zellen zu beobachten. In dieser Arbeit wird sowohl experimentell als auch mit Hilfe von FEM Simulationen gezeigt, dass die dabei beobachtete Asymmetrie der Faserorientierung durch das Strömungsprofil und den aus der Form der Fasern resultierenden Trajektorien zu erklären ist. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die anschließende Invasion der Zellen in dieser Matrix durch einen richtungs- und ortsabhängigen Zufallsweg (engl. Random Walk) der Zellen beschrieben werden kann. Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass ein strukturiertes Kollagennetzwerk kann zur gezielten Steuerung der Invasion von Zellen genutzt werden. Ein noch komplexeres Bewegungsmuster im Vergleich zu Zellen weisen bewegliche Mikroorganismen, wie die Spezies Paramecium caudatum – auch als Pantoffeltierchen bekannt – auf. Gerade aufgrund ihrer hohen Agilität erweisen sich Einzelzellmessungen allerdings als äußerst schwierig. In dieser Arbeit wird daher eine mikrofluidische Falle entwickelt, mit der die Beobachtung einzelner Mikroorganismen möglich ist. In diesen Fallen können die Mikroorganismen reversibel, ohne dem Einzeller Schaden zuzufügen, eingefangen und wieder freigelassen werden. Die Bewegung wird räumlich stark eingeschränkt und ermöglicht damit unter anderem optische Messungen des Phasenzustands der Membran der Mikroorganismen. Darüber hinaus lässt sich aber auch das Schwimmverhalten einzelner Mikroorganismen beobachten. Somit wird u.a. die Korrelation von Membranordnung und zellulärer Funktion, hier die Bewegung, auf Einzelzellniveau möglich. Neben diesen Einzelzellmessungen wird eine alternative Technik verwendet, um das Schwimmverhalten des Ensembles zu quantifizieren. Dazu werden Messungen mittels DLS und Mikroskopie durchgeführt. Abweichend zur Analyse von Einzelzelltrajektorien wird bei letzterem jedoch die Korrelation aufeinanderfolgender Mikroskopbilder berechnet, um in Analogie zur Lichtstreuung eine Zeitkonstante zu ermitteln, über deren Dauer das Bild und somit die Positionen der Einzeller im Bildbereich korreliert sind. Es konnte gezeigt werden, dass die Abklingkonstante, mit der das mit sich selbst korrelierte Signal abfällt, direkt proportional zur Schwimmgeschwindigkeit ist. Die beiden verwendeten Techniken bieten den Vorteil gegenüber herkömmlichen Trackingverfahren, dass eine große Anzahl an Mikroorganismen problemlos gleichzeitig beobachtet werden kann.show moreshow less

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Metadaten
Author:Lukas Gabriel Schnitzler
URN:urn:nbn:de:bvb:384-opus4-1093277
Frontdoor URLhttps://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/109327
Advisor:Christoph Westerhausen
Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of first Publication:2023
Publishing Institution:Universität Augsburg
Granting Institution:Universität Augsburg, Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät
Date of final exam:2023/07/06
Release Date:2023/12/13
Tag:Sensorik
GND-Keyword:Biophysik; Akustische Oberflächenwelle; Aktorik; Sensortechnik; Mikrofluidik
Pagenumber:iii, 197
Institutes:Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät
Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät / Institut für Physik
Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät / Institut für Physik / Lehrstuhl für Experimentalphysik IV
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 53 Physik / 530 Physik
Licence (German):Deutsches Urheberrecht mit Print on Demand