Das Zinsrecht im Zusammenspiel von Zivil- und Handelsrecht

  • Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil von 2018 die Ansicht vertreten, dass die Ungleichbehandlung von Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten im Zinsrecht zumindest fragwürdig ist. Dieser pauschale Befund wird jedoch durch einen Blick auf verschiedene Bereiche des Zinsrechts nicht ganz plausibel. Ein finanzinstitutsspezifisches Verständnis zeigt sich bereits im „synallagmatischen“ Charakter der Zinsschuld. In den letzten Jahren haben die europäische und die deutsche Gesetzgebung zu Verzugszinsen den Ansatz einer differenzierten Behandlung von Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten beibehalten und sogar verstärkt, was den Erfahrungssatz bestätigt, dass „Geld in den Händen eines Kaufmanns sinnvoller ist“. Im Bereich der Verzugszinsen (§§ 288, 497 Abs. 1 BGB) und der kaufmännischen Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB) wird die Unterscheidung zwischen Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten nicht nur formal scharf, sondern der Trend einer solchen Differenzierung wäre auch nicht umkehrbar. Dies liegt vor allem anDer Bundesgerichtshof hat in einem Urteil von 2018 die Ansicht vertreten, dass die Ungleichbehandlung von Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten im Zinsrecht zumindest fragwürdig ist. Dieser pauschale Befund wird jedoch durch einen Blick auf verschiedene Bereiche des Zinsrechts nicht ganz plausibel. Ein finanzinstitutsspezifisches Verständnis zeigt sich bereits im „synallagmatischen“ Charakter der Zinsschuld. In den letzten Jahren haben die europäische und die deutsche Gesetzgebung zu Verzugszinsen den Ansatz einer differenzierten Behandlung von Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten beibehalten und sogar verstärkt, was den Erfahrungssatz bestätigt, dass „Geld in den Händen eines Kaufmanns sinnvoller ist“. Im Bereich der Verzugszinsen (§§ 288, 497 Abs. 1 BGB) und der kaufmännischen Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB) wird die Unterscheidung zwischen Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten nicht nur formal scharf, sondern der Trend einer solchen Differenzierung wäre auch nicht umkehrbar. Dies liegt vor allem an der großen Zahl konkurrierender Wertevorstellungen, die diesen Bereich durchdringen. Aufgrund dessen sind die Verzugszinsen und die kaufmännischen Fälligkeitszinsen von eigener Rechtsnatur, und beide können nicht zu einem einzigen einheitlichen Fälligkeitszins verschmolzen werden. Im Bereich der Darlehenszinskontrolle hat das deutsche Recht eine Art „Richterrecht“ entwickelt, das auf die Rechtsprechung zu § 138 Absatz 1 BGB zurückgeht. Dieses „Richterrecht“ schafft einen flexibleren Prüfungsrahmen, der die objektiven und subjektiven Elemente eines Darlehensgeschäfts betrachtet und die Gesamtheit der Umstände des Darlehensgeschäfts als Ganzes würdigen kann. Innerhalb dieses Prüfungsrahmens ist es durchaus möglich, für Darlehensgeschäfte, an denen unterschiedliche Darlehensnehmer beteiligt sind, zu unterschiedlichen spezifischen Zinsregeln zu gelangen. Die unterschiedliche Behandlung von Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten im Rahmen der AGB-rechtlichen Kontrolle von vorformulierten zinsbezogenen Klauseln ist im Übrigen auch für diejenigen, die sich auf AGB-Recht spezialisiert haben, selbstverständlich. Im Bereich der Zinseszinsverbote (§ 248 Abs. 1 BGB) ist die unterschiedliche Behandlung von Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten bereits in der Gesetzgebung (§ 248 Abs. 1 BGB, § 248 Abs. 2 BGB, § 355 Abs. 1 HGB) erkennbar. Obwohl in den letzten Jahren, als das Wesen der Zinsen tiefgehender verstanden wurde, in der Literatur Forderungen nach einer „Lockerung“ des Zinseszinsverbots laut geworden sind, zeigt eine Prüfung eines der vielversprechendsten dieser „Lockerung“-Vorschläge jedoch, dass auch ein reformiertes Zinseszinsverbot die bereits erwähnte Unterscheidung zwischen Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten beibehalten würde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Zinsrecht ein Ausfluss des Zusammenspiels von Zivil- und Handelsrecht ist und dass die Unterscheidung zwischen Kaufleuten und Nicht-Kaufleuten im Zinsrecht, obwohl sie häufig in Frage gestellt wurde und unter Umständen angepasst werden musste, den Ansatz einer differenzierten Lösung in der Rechtsentwicklung nicht grundlegend verändert hat.show moreshow less

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Metadaten
Author:Jizhong Wang
URN:urn:nbn:de:bvb:384-opus4-1134210
Frontdoor URLhttps://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/113421
Advisor:Christoph Becker
Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of first Publication:2024
Publishing Institution:Universität Augsburg
Granting Institution:Universität Augsburg, Juristische Fakultät
Date of final exam:2024/06/07
Release Date:2024/07/18
GND-Keyword:Deutschland; Privatrecht; Zinsniveau; Kaufmann; Verbraucher
Pagenumber:360
Institutes:Juristische Fakultät
Juristische Fakultät / Institut für Zivilrecht
Juristische Fakultät / Institut für Zivilrecht / Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht, Römisches Recht und Europäische Rechtsgeschichte
Dewey Decimal Classification:3 Sozialwissenschaften / 34 Recht / 340 Recht
Licence (German):Deutsches Urheberrecht